Der Mythos vom 12. Mann

Freunde des guten Fußballgeschmacks, es ist wieder so weit. Es geht nach Gelsenkirchen. Warum die Fahrt und der Einlass nicht so reibungslos abliefen und was mich wirklich zu Tränen gerührt hat, erfahrt ihr wie immer hier – AUF EIN SPIEL!

Unverhofft kommt oft

Wer meinen letzten Beitrag gelesen hat, weiß, dass ich mich für diese Saison schon verabschiedet habe. Jetzt kommt es super spontan doch noch zu zwei Auswärtsfahrten. Die erste gegen den S04. Es war noch ein Platz in einer geplanten 9er-Bus Fahrt frei und ein Ticket gab´s auch für mich.

Egal wo du auch spielst…

Ihr kennt das Prozedere aus meinen vorangegangenen Beiträgen. Der Wecker klingelt um 07:00 Uhr morgens. Man kommt im Tag an und dann irgendwann am Bahnhof oder am vereinbarten Treffpunkt. So wie auch heute. Ich hatte mich auf 8 weitere Bremer Fans gefreut. Was mir aber keiner im Vorfeld verraten hat, hier fahren auch zwei Schalke Anhänger mit. Das kann ja unterhaltsam werden, denke ich mir. Nachdem wir vollzählig sind, geht es los. Fünf Stunden in Richtung Pott!

Freunde in Werder Bremen Fanbekleidung unterwegs im Bus nach Gelsenkirchen
Egal wo du auch spielst!

Musikalisch wird die Auswärtsfahrt untermalt von Hymnen verschiedenster Vereine. Auch Schalke Songs tönen durch die Boxen. Die Zeit vergeht wie im Flug und als wir am Rastplatz für eine letzte Pause halten, fährt uns auf dem Rasthof jemand vorne ins Auto. Die Stimmung ist für einen kurzen Moment dahin. Aber dann sind wir 30 Minuten später in Gelsenkirchen an der Veltins-Arena – und jeder hat Bock auf diese Partie.

Der Mythos vom Schalker Markt

Die Veltins-Arena, früher Arena AufSchalke genannt, löste im August 2001 das Parkstadion ab, welches dem modernen Fußball irgendwann nicht mehr gerecht werden konnte.  

Dem Mythos nach treffen sich 1904 ein paar Jugendliche im Garten von Heinrich Kullmann und möchten ihren Traum von einer Fußballmannschaft verwirklichen. Sie wollen einen Verein gründen, um Derbys spielen zu können. Dies wird laut mündlichen Überlieferungen in ein Notizbuch eingetragen. Das war die Geburtsstunde des Vereins „Westfalia Schalke“ in den Vereinsfarben rot und gelb. 1904.

1912 schließen sich diese Jungs notgedrungen dem bürgerlichen „Turnverein Schalke 1877“ an und die Farben ändern sich ein Jahr später in die uns eher bekannten Schalker Farben blau und weiß. 

In der Weltkriegszeit gründete man noch einen Verein, man trug Freundschaftsspiele gegeneinander aus, fusionierte beide Mannschaften und trennte sich ein paar Jahre darauf wieder. Kurzum – am 05. Januar 1924 einigte man sich auf den Namen des Vereins. FC Schalke 04.

sind wir mit dabei…

Nach einem kleinen Fußmarsch vom Parkplatz zum Stadion spricht man über Vermutungen, wie das Spiel wohl heute ausgehen mag. Ich tippe selbstsicher auf ein 0 : 2. So hatte ich ja im April 2019 auch ein 0 : 2 hier auf Schalke im DFB-Pokal gesehen – Beitrag verpasst? – Hier entlang!

Die Jungs gehen schon in das Stadion und ich warte auf Freunde aus München. Zeit für ein Kaltgetränk und etwas zu essen. 

Nadine und ein Freund vor der Veltins-Arena beim Warten
Wartezeit ist bekanntlich die _______ Zeit.

Vom Warten und warten

Kurze Zeit nach Einlass kommt es zu einem Einsatz der Polizei und ab dem Zeitpunkt kam keiner mehr in das Stadion. Einlassstopp. Noch tangiert mich das relativ wenig. Ich warte mit Ludwig, den ich zuvor in Mainz kennengelernt habe, auf die Münchener. Als die eintreffen und die Uhr 17:45 Uhr anzeigt, werde ich doch etwas nervös. Kurz blitzt der Gedanke auf, ob man die Partie heute überhaupt im Stadion gucken kann. Laut Hörensagen verursachen ein paar Fans aus der eigenen Reihe einen Streik und blockierten für alle weiteren den Einlass. Großartig. Da kommt Freude auf. Immerhin kommt man mit weiteren Anhängern des SVW in Gespräche und die Zeit wird gut überbrückt.

Fünf Freunde vor der Arena kurz vor dem Einlass
Fünf Freunde für ein Halleluja

Ich drehe mich um, kurz bevor es dann tatsächlich weitergeht. Ein verwüsteter Platz mit viel Müll ist das Letzte, dass ich sehe, bevor es endlich ins Stadion geht. 

Unsere Fahnen wehen nur für Grün und Weiß…

Nach ewiger Suche finden wir dann noch ein schönes Plätzchen weit unten. Das Spiel ist bereits im vollen Gange. Die Stimmung auch. Ich liebe es, vor dem Spiel da zu sein. Die Mannschaft zu begrüßen und die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Heute ist dafür keine Zeit. Reingeschmissen in Euphorie von 0 auf 100. 

Die Punkte sind unglaublich wichtig. Aber nicht nur für uns, sondern auch für die Knappen, die sich aktuell noch auf einem direkten Abstiegsplatz befinden. Die Spiele kurz vor Saisonende sind immer die emotionalsten. Man weiß, was in der Saison noch realistisch machbar ist und versucht dies mit allen Mitteln zu erreichen. 

Der Fußball hat sich verändert. Aus Fußball mit Herz und Seele wurden wirtschaftliche Unternehmen. Hoffenheim und Leipzig läuteten mit dem Aufstieg in die erste Bundesliga eine neue Ära ein. 

Vereine wie Schalke und der SV Werder Bremen, durften bereits am eigenen Leib erfahren, was das heißt. Wir standen uns auch in Liga 2 gegenüber und schafften den direkten Aufstieg. Auch weitere Vereine werden bei dem neuen Geschäftsmodell „Fußball“ zu Fall kommen.

Übrigens haben Schalke und Werder Bremen, die meisten Auswärtsfahrer 2022/2023.

Die Kurve singt für dich…

So stehe ich nun in der Gästekurve. Klatsche in die Hände und singe mit, so laut ich kann. Das ist meine Welt. Eine Welt, in der noch alles gut ist. In der ich die Romantik des Fußballs noch spüren kann. 90 Minuten, die mich vergessen lassen, was sonst so passiert. Welche krummen Dinger gedreht werden, welche Trainer wo entlassen werden und ominöse Sporttaschen für Schiedsrichter in Kabinen stehen. Keine Kapitel aus Football Leaks. Hier werden noch eigenen Geschichten geschrieben.

Für einen Moment kann man das alles ausblenden. Sowas hat man nicht vor der Mattscheibe im heimischen Wohnzimmer. Und doch bleibt es ein bitterer Nachgeschmack, dass diese beiden Traditionsvereine sich heute hier mit dem Gedanken an den Abstieg gegenüberstehen. 

18. Minute – TOR für uns! Marvin Duksch erzielt den Führungstreffer. Anknüpfen am Sieg in Bremen – äh Berlin.

Spielanzeige mit 0:1 im Vordergrund Fahnen aus dem Gästeblock
Zur Halbzeit steht es 0:1

So kann es weitergehen. Aber außer einer Gelben Karte und einer Unterbrechung aufgrund einer Verletzung passiert nicht viel. 

Halbzeit

In der Pause kommt ein bekennender Blogleser zu mir, der mich unbedingt treffen möchte. Das erwischt mich unerwartet emotional. Das berührt mein Herz, wenn sowas passiert. Danke dafür. Das ist die Belohnung für die Mühe, die in diesem Blog steckt. 

Egal was auch passiert…

Wenn man in Würzburg wohnt und auf Spiele des glorreichen SVW fährt, hat man nie ein Heimspiel. Man muss immer fahren. Heute sind es 90 Minuten Fußball 10 Stunden Fahrt. Der Unterschied zwischen unzählig teuren monatlichen Abos um seine Mannschaft zu sehen (was nicht nur absurd, sondern auch ziemlich frech ist) und die Kilometer, die ich gerne fahre – sind wir. Wir Fans. Wir sind der Unterschied! Das ist kein Geschäftsmodell. Das ist Leidenschaft. Das gibt dir kein Anbieter (Ausbeuter) für x Euro im Monat. So glücklich macht dich keine Sportwette. 

Ob du Meister wirst oder heute hier verlierst…

Anpfiff zweite Hälfte. Außer zahlreichen Unterbrechungen und Gelben Karten ist bis zur 80. Minute nicht viel zu berichten. Der gerade frisch eingewechselte Schalker van den Berg gleicht für die Königsblauen aus und es wird laut. Sehr laut. 1 : 1. Und von da an ist die Stimmung auf Schalke unantastbar. Die Luft knistert. Was erwartet uns heute noch?

Die Bremer geben nicht auf. Wir auch nicht. Die Trommeln und die Fangesänge erklingen weiter. Und in der Nachspielzeit fällt dann das 2 : 1. Was? So schnell sind 3 wichtige Punkte aus der Hand gegeben. Ich stehe fassungslos, wie alle anderen angereisten Werderaner, in der Kurve und kann nicht glauben, was ich da sehe. Die Zeit auf der Uhr läuft ab und wir verlieren auf Schalke. 

Spielstand nach 95 Minuten Fußball - 2:1 für Schalke04
Abpfiff!

Das Restprogramm hat es für beide Mannschaften in sich. Die 3 Punkte sehe ich als Investition heute Abend. Auch, wenn es für uns selbst so wichtig gewesen wäre, hier zu Punkten. Und vielleicht mag der ein oder andere Leser empört über meine Worte sein. Aber ihr habt nicht gesehen und erlebt, was ich gesehen habe und erlebt habe.

Blick auf die Nordkurve in Gelsenkirchen nach Abpfiff
Tradition schießt vielleicht keine Tore aber ohne Tradition ist Fußball nichts!

Nach Abpfiff blicke ich auf eine komplett blaue Nordkurve. Ein Meer aus Schals, Ekstase und lautem Gesang. Als die Mannschaft der Knappen sich in die Kurve begibt, ertönt der Mythos vom Schalker Markt. So laut wie ich es noch nie irgendwo erlebt habe.

Und Freunde des guten Fußballgeschmacks, das ist Ehrlichkeit. Das ist das, was man in Leipzig oder anderen Retortenclubs nie erleben wird. Der Unterschied. Hier habe ich ein Stadion mit Seele und Charakter erlebt. Ich kämpfe für den echten Fußball. Für echte Emotion. Und so ein Verein hat in Liga zwei nichts verloren. Ebenso wenig wie wir!

SVW ALLEZ!

Wir sehen uns am letzten Spieltag gegen Union!