Nicht nur in Leipzig zu Gast: Der erste Gastbeitrag
Richtig gelesen. Ein Gastbeitrag. Im Fokus – das letzte Auswärtsspiel der Hinrunde. Vielen Dank an dieser Stelle an Chris Böhm. Danke, dass du die Eindrücke aus deiner Sicht aufgeschrieben und geteilt hast. Das erste Mal gebe ich die Führung ab und überlasse die Feder ganz und gar jemand anderen. Auf ein Spiel aus anderer Sicht.
Und los… ab zu den roten Bullen
Ein letztes Mal für 2018 musste ich mich in aller Herrgottsfrühe aus der Koje quälen, ein letztes Mal zum Konterbier greifen, denn Freitagabende sind bekanntlich die besten Partystunden der Woche. Trotz Müdigkeit und nur durch Adrenalin und Vorfreude auf den heutigen Tag, schaffe ich es umgehend aus dem Bett. Es gibt kein anderes Ereignis, das mich vergleichbar schnell aus den Federn hüpfen lässt, wie ein Fußballspiel. Wahrscheinlich noch nicht mal die eigene Hochzeit. Aufstehen ist reine Kopfsache!
06:06 Uhr ging der Zug nach Leipzig. Der Grund meiner super frühen Anreise war, dass ich um 09:00 Uhr zum Frühshoppen im Leipziger Süden verabredet war. Pünktlich um 08:40 Uhr am Bahnhof wartete ich noch auf einen Kumpel, der aus Jena anreiste. Einen Wimpernschlag später, saßen wir in der Straßenbahn gen Leipziger Süden. Die Laune war schon wieder auf Höchststand. Das konnte nur ein geiler Tag werden!
Leipzig in History
Leipzig. Eine Stadt mit Tendenz zu 600.000 Einwohnern. Sie ist neben Dresden und Rostock wohl die bekannteste Metropole in den neuen Bundesländern. Besonders für junge Leute scheint sie eine enorme Anziehung zu besitzen. Mittlerweile zählt sie mehr als 40.000 Studierende. Geschichtlich hat die Stadt des Allerleis einiges auf dem Kerbholz. So fand vom 16.10.1813 bis 19.10.1813 die Völkerschlacht bei Leipzig statt. In dieser Schlacht kämpften preußische, russische, österreichische und schwedische Truppen gegen Napoleon Bonaparte und eben jene verbündete Truppen konnten Napoleon die entscheidende Niederlage zufügen, die ihn endgültig dazu zwang, sich aus Deutschland zurückziehen. Wahrscheinlich die größte Schlacht der Weltgeschichte bis Anfang des 20.Jahrhundert.

Rasenballsport der beflügelt — oder nur eine Farce?
Apropos Geschichte — unser heutiger Gegner hat keine vergleichbar lange Vita. Am 19. Mai 2009 aus dem Boden gezogen, wie eine Wüstenstadt in den Emiraten oder ein WM-Stadion in Katar, spielt er seit der Saison 2016/17 in der 1. Bundesliga.
Wenn man sich die Gründung genauer anschaut, liegt es nahe, beträchtlich mit dem Kopf zu schütteln. Zunächst wurden Vereine wie die Fortuna aus Düsseldorf, der FC Sankt Pauli oder auch 1860 München gefragt, ob Sie Interesse an pushenden Investitionen hätten. Im Gegenzug sollte die Mehrheit von 50+1 Prozent bei Red Bull liegen sowie eine Änderung des Vereinsnamens, des Vereinswappens und der Vereinsfarben folgen. Alle 3 o.g. lehnten ab. Warum die 60er ablehnten und zwei Jahre später Herrn Ismaik 60% ihrer Anteile verkauften, bleibt wohl ihr Geheimnis.
Nachdem sich die drei größeren Vereine weigerten, ging Red Bull einige Etagen tiefer und klopfte zunächst beim FC Sachsen Leipzig an. Diesem Verein, der mittlerweile aufgelöst ist, ging es nach ausbleibenden Erfolgen wirtschaftlich sehr schlecht. Der Deal scheiterte damals nur, da der DFB aufgrund namensrechtlicher Unstimmigkeiten einschritt und eine zu große Einflussnahme von Seiten des Investors bestand. Da die Oberliga außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des DFB liegt und ein von Leipzig umliegender Verein namens SSV Markranstädt der Übernahme zustimmte, wurde „Red Bull“ trotzdem gegründet. Nach 7 Jahren hatten sie damals bekanntlich den Durchmarsch aus der 5.Liga in die 1.Bundesliga geschafft. Doch die Namensproblematik bestand damals weiterhin. Laut DFB-Satzung ist eine Namensgebung zu Werbezwecken unzulässig, weshalb auf Red Bull Leipzig, Rasenballsport Leipzig folgte.
Beflügelte Reaktionen der Fans
Die Fans tobten und waren außer sich. Verständlich. Auf einmal kommt ein „unbekannter“ Club um die Ecke, der an der Brust einer großen Firma nuckelt und dank Geld einen derartigen Marsch durch mehrere Ligen nach oben hinlegte. Tradition? Fehlanzeige!
Und auch in den letzten Jahren gab es immer wieder fragwürdige Ereignisse. Zum Beispiel darf gefühlt keiner bis heute stimmberechtigtes Mitglied werden um bei etwaigen Mitgliederversammlungen ein Wörtchen mizureden. Die stimmberechtigten Mitglieder, 17 an der Zahl, entstammen ausschließlich der Führungsriege.
Auch das Hin – und Hergeschiebe von Spielern vom Tochterklub aus Salzburg nach Leipzig stand immer wieder in der Kritik. Besonders der Transfer des Spielers Nils Quaschner fällt mir spontan ein. Da dieser bereits für 2 Vereine in der Saison 15/16 spielte, entzog schlussendlich die FIFA ihm die Spielberechtigung. In Leipzig verstand man daraufhin die Welt nicht mehr. RB Leipzig. Ein Projekt, das größtenteils Marketingziele verfolgt und sein Image verbessern will. Schauen wir mal, ob Red Bull wirklich Flügel verleiht und der Club — ähnlich wie der arme Ikarus — etwas zu viel Auftrieb erfährt und schließlich unsanft „landet“.

Nun aber auf ins Stadion
Inzwischen haben wir die Stadiontore der Arena erreicht. Ein guter Stehplatz war schnell gefunden und nach einigen Schnackereien mit allen bekannten Gesichtern, lief auch schon Bibi Steinhaus ein. Im Schlepptau unsere 11 Goldfüßchen.
Zum Spiel will ich nicht viele Worte verlieren, denn wir haben wieder mal 90 Minuten lang guten Fußball gespielt und hatten durchaus die Chance in Führung zu gehen. Milot Rashica hatte die beste. Danach haben wir die Gastgeber zweimal eingeladen. Gerade beim 2. Tor (Timo Werner) nach viel zu kurzem „prallen lassen“ von Max Kruse in Richtung Jiri Pavlenka. Wieder einmal haben wir uns selbst um den Lohn unserer Arbeit gebracht. 2 : 0 im Zentralstadion. Das ist ein dickes Brett für die 2. Hälfte und das war jedem auf und am Rasen sichtlich bewusst.

Alles auf Sieg
Aber unser immenser Wille, unser Einsatz und unsere Leidenschaft brachten uns auch in Leipzig wieder zurück. 2 : 2! Glückwunsch an unseren jungen Joshua Sargent: 2. Torschuss in der Bundesliga, 2. Tor. Was für geile Tage für den Jungen!! Als dann 5 Minuten vor Schluss die ewige Legende Claudio Pizarro ins Spiel geworfen wurde, wusste jeder wohin der Hase rennen sollte. Alles auf Sieg — weshalb ich den SV Werder Bremen einfach liebe. Alles oder nichts! Eines meiner Lebensmottos.
Und so kam es wie es kommen musste. 87. Minute – wieder nur sehr halbherziges Stören des Gegners auf der rechten Außenbahn. Es folgte eine flache Hereingabe, leicht in den Rückraum der Abwehr und alle schauten sich nur verdutzt an, während Bruma mit etwas Glück den Ball ins Netz schob. So ne Scheisse zum Jahresausgang — einfach sinnlos. Lasst uns doch einfach den einen Punkt mitnehmen.
Das Positivste an dem Spiel: Timo Werner traf mal nicht zweimal – denn das tat er statistisch in jedem bisherigen Saisonspiel sobald er einmal die Kugel in das Netz schob.
Nach dem Spiel ging es zur Bahn und ab nach Hause. Abends stand das Treffen meiner ehemaligen Schulklasse an. Noch ein paar erheiternde Gespräche auf der Rückfahrt im Zug und schon saß ich im Irish Pub bei Kerzenschein und Pitcher.
Awaydays are the best days!
Der nächste Beitrag aus meiner Hand folgt vom Spiel gegen Nürnberg. Ich freue mich auf bekannte Gesichter und natürlich auf drei Punkte für den SVW. Solltet auch ihr Interesse an einem Gastbeitrag haben, meldet euch. Wir lesen uns auf ein Spiel 🙂
Eure Nadine