Eiskalter Sieg

Der 4. Gastbeitrag aus Nürnberg.

Nicht ich habe Ihn verfasst, sondern Malte. Er kam in der Kurve am Spieltag gegen Nürnberg auf mich zu und erklärte sich feierlich bereit, die Feder in die Hand zu nehmen. Und hier ist der neue Beitrag. Auf ein Spiel!

Malte, der Beitragverfasser und Nadine. Im Hintergrund, das Stadion
Der heutige Gastgeber – Malte

Es geht los

Ich könnte jetzt den Blogeintrag damit starten, dass ich fast zwei Jahre nicht mehr im Stadion war. Dass Corona und ein längerer Auslandsaufenthalt dafür der Grund waren, aber eigentlich würde das dem Gefühl auf dem Weg zum Bahnhof nicht entsprechen.

Kaum habe ich meine Arbeit verlassen, nicht ohne die üblichen hämischen 2. Liga Kommentare meiner Kollegen, die nahezu alle Bayern Fans sind, setzt diese Erregung ein. Diese Vorfreude, die sich nicht rational erklären lässt. 22 Menschen laufen einem Ball hinterher und je nach Spielverlauf kann mich das mal locker zwei bis fünf Lebensjahre kosten. 

Sehnsuchtsort und Folterstätte

Am Hauptbahnhof warten schon die ersten bekannten Gesichter und nachdem die Logistik geklärt ist, Tickets, Getränke, Verpflegung besorgt, drängt man sich in den Zug. Zusammen mit leicht eingeschüchterten Erstsemester Studenten, die eine ruhige Fahrt zurück in die Heimat erwartet haben, rollen wir in Richtung Nürnberg. Die Maskenpflicht erschwert den Bierkonsum, aber verunmöglicht ihn nicht und so steigen Vorfreude und Pegel desto kürzer die Strecke wird. Als wir Nürnberg erreichen, hat sich bereits ein abendlicher Nebel über die Stadt gesenkt und taucht das Max-Morlock-Stadion mit seinem Flutlicht in eine mystische Stimmung. 
Spätestens jetzt weicht die Vorfreude einer elektrisierten Anspannung. Ebenso wie sich der Puls langsam beschleunigt, werden die Schritte zum Stadiontor länger und raumgreifender. Und dann blicken wir auf das Grün, das für uns Sehnsuchtsort und Folterstätte gleichzeitig ist. Der erstaunlich gut gefüllte Auswärtsblock übernimmt sofort Verantwortung und macht sich lautstark bemerkbar. 

Das Max Morlock Stadion. Blick aus der Auswärtskurve auf das Spielfeld
Auswärts daheim

Was für ein geniales Gefühl

Offenbar hat sich auch die Mannschaft etwas vorgenommen. Von Beginn an wird auf dem Platz und von der Südkurve Druck auf die Nürnberg ausgeübt. Doch dann werden wir rüde zum Schweigen gebracht. Wie aus dem Nichts liegt der Ball in unserem Tor und kurzzeitig macht sich Resignation breit. „Nicht schon wieder. Ist ja mal wieder typisch. War ja klar.“ Man kennt es. Doch so wie wir uns schnell wieder fangen, schütteln unsere Bremer den Schocker ab und übernehmen wieder die Kontrolle. 
Aber wie der Nebel wie ein Schleier über dem Stadion wabert, scheint das Nürnberger Tor oder ihr Torhüter Mathenia verhext zu sein. Immer wieder ist eine Hand, ein Fuß oder wenn das nicht mehr reicht der Pfosten unserem Glück im Weg. Doch anders als im letzten Jahr lebt diese Mannschaft, hat sie Willen und Lust auf Siege. Der Druck erhöht sich und letztlich ist es Niklas Füllkrug, dieser Totgesagte, der uns erlöst. Nach einer Flanke von Velkovic steigt er hoch und zeigt genau die Präzision im Kopfballspiel, die er so lange hat vermissen lassen. Eine Erlösung nicht nur für uns, sondern auch ihn persönlich. 
Unter uns machen sich jetzt Zuversicht und Wille breit, wie ich ihn lange nicht mehr erlebt habe. Als würden sich die Energien von Mannschaft und Fans verbinden, besteht nun kein Zweifel mehr, dass wir dieses Spiel gewinnen werden. Und doch dauert es bis kurz vor dem Schlusspfiff, bis Bittencourt den Block explodieren lässt. Die Mannschaft sprintet uns entgegen und nur die Absperrungen verhindern, dass auch wir ihnen entgegenfliegen. 

Die Mannschaft des SVW kommt in die Fankurve gelaufen
DER SVW IST WIEDER DA!

So endet das Spiel mit einem Sieg. Einem Sieg trotz Rückstand, einem Sieg gegen die Kälte, einem Sieg über ein verhextes Nürnberger Tor. 

Werder – einfach mein Verein

Ein Wermutstropfen bleibt dann aber doch zurück. Beim Jubel über das Siegtor stürzen vier Fans in den Stadioninnenraum. Einer unserer Freunde verletzt sich dabei am Kopf und verbringt sein Wochenende in einem Nürnberger Krankenhaus. Letztlich ist ein Schädel aber härter als der Nürnberger Boden und so darf er bald wieder nach Hause. 
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass Werder Bremen sofort ein Hotelzimmer für seinen Begleiter zur Verfügung stellt und Leo Bittencourt sich mit einer Nachricht an ihn wendet und gute Besserung wünscht. Mein Verein ist schon echt ganz gut. 

So endet für uns der Tag erfolgreich, versöhnlich und selig. Fußball du bist so wunderbar, bis zum nächsten Mal bis ich dich und alles, was damit zu tun hat wieder verfluche. Aber heute, da bist du die schönste Sache der Welt. 

Und das war auch schon der 4. Beitrag von Malte. Wer wissen möchte, wer der Schreiber ist, wenn er nicht ins Stadion geht, folgt ihm unter Instagram unter dem Namen malt.esk

Winter is coming….

Das ewige Spiel. Nicht um den eisernen Thron, sondern um 3 wichtige Punkte. Alles auf Sieg. Ich reiße den Kleiderschrank auf — schnappe mir meinen Schal, mein Trikot und mache mich mit meiner besseren Hälfte auf zum Würzburger Bahnhof. Wer das Spiel heute für sich entscheidet und ob der Wächter des Nordens auch im Süden seine Flagge hochhalten kann, könnt ihr hier nachlesen. Auf ein Spiel in Nürnberg. 

Revanche

Der RE steht bereit. Ein paar Werderaner steigen in das gleiche Abteil. Es fällt nie leichter, als bei einem Bier und einer Zugfahrt gen Stadion neue Kontakte zu knüpfen. Auch wenn es draußen kalt ist, sind wir heiß auf den Sieg. Immerhin ist nach der Hinrunde gegen die Nürnberger noch etwas offen. Zu guter Letzt hatten sie es tatsächlich im Bremer Weserstadion geschafft, in der letzten Minute den Ausgleich zu erzielen. Bitter. Aber es sollte dieses Mal alles anders werden. 

Fans des SVW auf dem Weg nach Nürnberg im RE
Road to Nürnberg

Auswärts daheim

Angekommen in Nürnberg. Ein Gleis weiter wartet ein großes Wiedersehen mit meinen Freunden aus München. GWM. Ein Meer voller Umarmungen. Kurze Zeit später machen wir uns auf den Weg ins Max-Morlock-Stadion. Aber wer war dieser Max Morlock eigentlich und was hat es mit dem Stadion auf sich?

4 Freunde aus dem Fanclub
Friendship never ends. GWM on tour

Geschichtlicher Hintergrund

Maximilian Morlock – geboren in den zwanziger Jahren in keiner anderen Stadt als Nürnberg. Mit 286 Treffern für den Club, verewigte sich der Nationalspieler damals in den 60ern zum Fußballer des Jahres. Auch einigen Fans wird er immer in Erinnerung bleiben, da er einer der großen Spieler war, der unermüdlichen Willen zeigte und die Geschichte des Fußballs auch mit seinem Kampfgeist prägte. Endlich mal ein Stadionname befreit von Werbung. 

Das ehemalige Frankenstadion wurde 1925 – 1928 erbaut. 50.000 Fans können hier einen guten Platz zum Feiern und grölen finden. 

1928 trug man hier sogar das Endspiel um die deutsche Meisterschaft aus. Aber jede Medaille hat zwei Seiten. 1933 wurde der Platz in „Stadion der Hitlerjugend“ umbenannt. 1937 fand der Tag der Hitlerjugend dort statt. Später, in Mitte der 40er Jahren, wurde der Platz für Baseball Spiele der US-Armee verwendet. Der Fußball kehrte erst 1963 wieder zurück. Apropos zurück. Zurück zum Spiel.

Flagge vor der Nürnberger Nordkurve im Wind
Flagge zeigen in Nürnberg

Welcome to the Show

Ein ausgiebiger Spaziergang führt uns zur Gästekurve. Die Pommes am Stadion kann ich übrigens nicht empfehlen. Immerhin gibt es Glühwein. Vor den eigentlichen Plätzen noch der Hinweis: „Heute Choreo“. Da nehme ich einmal meinen Freund mit und er bekommt das volle Programm. Haltet mich für irre, aber das Betreten des Stadions ist magisch. Hier warten gleich 90 Minuten Wahnsinn auf alle. Platz eingefunden und kurze Zeit später stehe ich in einem Meer voller Grün-Weißen Fahnen. 

Ein Meer voller grün-weißen Fahnen in der Gästekurve
Ein Meer voller Fahnen

Das Spiel beginnt. Viel kann ich nicht berichten. Zu viele Fahnen versperren mir die Sicht. Die Stimmung war dennoch genial. Das Stadion ist bei weitem nicht ausverkauft. Viele Plätze der Gastgeber sind leer. Etwas leer waren auch die Versprechungen, die die Spieler vor der Partie machten. Nach 3 Punkten sieht die erste Halbzeit nicht aus. Es kann also nur besser werden. Ein bisschen Pyrotechnik ließ meine Stimmung erhellen und mich auch wieder aufwachen. 

 

Pyrotechnik ist kein Verbrechen

Hierzu mal mein klarer Standpunkt. Pyrotechnik ist kein Verbrechen! Auch wenn ich mich vielleicht ein wenig unbeliebt mache, ist es etwas, das man erleben muss. ERLEBEN – im Stadion — nicht vor der Mattscheibe. Nicht jeder muss es gut finden, aber jeder sollte sich mal diese Frage stellen: 

  1. Bin ich davon betroffen oder nehme ich Schaden?
  2. Bedroht es mich?

In vielen Foren lese ich häufig negatives über dieses Spektakel. Ich habe jedoch noch von keinem einzigen Fan in der Kurve gehört: „ Ah, schon wieder scheiß Pyro, ich geh lieber mal..“ Zumal jeder der einige Reihen zurück gehen möchte, Platz eingeräumt bekommt. Doch niemand hat sich (bei mir) je in der Kurve beschwert.

Protest und Unverständnis kommt von jenen, die auf den Rängen sitzen oder zuhause auf der Couch gemütlich ihr Bier schlürfen.

Wer fernab der Pyro sitzt und vom Rauch nicht betroffen ist, sollte – meiner Meinung nach – nicht mit in die Diskussion einsteigen. Sie haben weder die Wirkung, im Positiven wie im Negativen, nicht erlegt. Ganz allgemein gesprochen: Kaum jemand macht noch etwas zu 100%. Gefühlt schleicht sich eine „ein Pferd springt nur so Hoch wie es muss“-Mentalität ein. Man quält sich aus dem Bett, um den ganzen Tag auf der Arbeit zu sitzen. Flieht vom Job auf die sichere, warme Couch und lässt sich berieseln. Fiebert den Abenteuern anderer hinterher, statt selbst etwas zu wagen. Ach wie schön ist so ein Bier im Stadion auf einem gemütlichen Sitzplatz. (Sarkasmus) 

Grüner Nebel im Nürnberger Gästeblock
Schall und Rauch

Klarzustellen ist, dass ich mich klar gegen Böller oder Wurfgeschosse ausspreche. Erwähnenswert ist ebenso, dass sich der SVW kalte Pyrotechnik angesehen hat. Ernsthaft: Wer Schaden anrichten will, verletzten und zerstören – der hat im Stadion nichts zu suchen. Ob mit oder ohne Pyrotechnik. Ich sage euch: Die Menschen die in der Kurve stehen und ihr Herz aus der Kehle schreien, 2 Stunden vorher da sind, um ihr Zeug aufzubauen. Die Menschen, die Choreos planen, sich den Arsch abfrieren, die Fans und die Mannschaft anheizen und die kilometerweite Anreise auf sich nehmen – das sind wahre Fans. Heutzutage gehört jammern und sich aufregen zum Alltag. Man lässt sich gerne auf ein Gespräch ein, um seinen Ärger Luft zu machen. Eine Kultur des Unzufrieden seins. Anstatt Fußball zu gucken, wird verbal rumberserkert.

Lieber am Black Friday shoppen bis zum Umfallen Geld in Unternehmen blasen, ohne zu hinterfragen. Die, die sich über alles aufregen, sind am Ende die, die nichts tun, um die Welt besser zu machen. Stimmung gehört zum Spiel dazu. Pyro gehört zur Stimmung. Leben und leben lassen ist das Stichwort. Die Kurve ist für jene die Bock haben zu feiern. Es ist der Moshpit des Stadions – und niemand zwingt dich, das Konzert dort zu erleben.  

Hochmut kommt vor dem Fall

Die Grün-Weißen lassen uns lange warten aber dann, in der 63. Minute, trifft Jojo Eggestein zum 0 : 1. Bäm! Alle rasten aus. Eine Erlösung. Die Stimmung erreicht den Zenith und wir liegen uns in den Armen. Das Spielt nimmt endlich Fahrt auf. Leider ist es eine Fahrt nach Nirgendwo denn mal wieder erzielen die Nürnberger kurz vor Schluss den Ausgleich. Ich bin fassungslos. Das Spiel hätte man für sich entscheiden müssen. Ganz klar. Aber auch jetzt stehen wir zusammen hinter unserer Mannschaft. Anstatt mich aufzuregen, genieße ich die letzten Minuten in trauter Gesellschaft und denke mir: Leben und leben lassen.