Schwarz – Weiß – Grün

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Wieder geht es Richtung Pott. Wollen wir doch mal sehen, ob wir nach dem DFB-Pokal-Spiel gegen Schalke nochmal eins draufsetzen können. Also auf nach Gladbach. Auf der Autofahrt übrigens ist der Blogbeitrag „Schicht im Schacht“ fertig geworden. Danke an all meine Leser, Komplimente und dafür, dass es immer mehr Menschen gibt, die Gefallen an meinen Zeilen finden.

Irgendwo am Niederrhein

Nach 3,5 Stunden sind wir in der 259.669 Einwohner Stadt Mönchengladbach. Es ist Samstag. Werder spielt erst morgen. Heute ist also noch genug Zeit, um das Innenleben kennen zu lernen. Also raus aus dem Auto, einchecken im Hotel, rein in die neuen Klamotten und dann ab ins Sportlertreff SC Waldniel. Dort läuft heute Abend das Top-Spiel des Abends: Bayern vs. Dortmund. Ich brauche keine großen Worte zu verlieren, wem ich die Daumen drücke. Zudem treffen wir Michi. Gebürtig aus dem kleinen Dörfchen indem wir uns befinden. Ja, er ist Gladbach Fan. Und er hat morgen Geburtstag. Doppelter Grund um zu Feiern.

Eins kann uns keiner nehmen

Das Spiel des Abends läuft leider sehr mittelmäßig. Der FC Hollywood führt zur Halbzeit bereits mit 4 : 0. Da ist also schnell die Spannung aus dem Spiel. Der Besitzer des Vereinsheims, André, gesellt sich zu mir. Wir reden lange über Fußball. Damit hätte er wohl nicht gerechnet. Eine Frau und Fußball. Es ist an der Zeit, das Bild zu ändern.

Freunde an der Bar
Am Tresen, als wäre nichts gewesen

Nach ein paar Bier beginnen erst die richtig guten Gespräche. Wir setzen uns von einem normalen Tisch an die Bar, an der nur noch der, nennen wir ihn „harten Kern“ sitzt. Lange habe ich nicht mehr so viel gelacht. André ist übrigens Schalke-Fan. Das tut aber nichts zur Sache. Der Abend geht fröhlich weiter. Nachdem wir dann tatsächlich die Macht über die Musik ergreifen können, kommen wahnsinnig gute Songs, die Bock auf das Spiel morgen machen. Nach Mitternacht, einem tollen Anfang in Mich’s Geburtstag und etwas zu viel Alkohol geht es schließlich ins Hotel. Wer schwankt, hat mehr vom Weg, denke ich mir und falle in die Falle. Liebe Grüße an diese Stelle ans Vereinsheim am Waldniel. Danke, für den wirklich schönen Abend.

Etwas müde geht’s am nächsten Tag aus den Federn. Im Werder Dress durch das Dorf. Ich werde angeguckt, als hätte ich irgendwas Komisches an mir. Es muss definitiv das Trikot sein. Das fällt schon mal außerhalb des Weserstadions auf. An der Stelle knüpfe ich gleich mal an etwas an.

In den Farben getrennt — in der Sache vereint

Vielleicht sagen jetzt einige, dass man den Menschen nicht soviel Aufmerksamkeit schenken soll. Ich sage, jeder der meinen Blog liest soll wissen, dass Faschismus und Rassismus nichts im Fußball, nein über nirgends etwas zu suchen haben! Ich werde, gerade aufgrund der aktuellen Geschehnisse, wieder sagen, was ich davon halte. NICHTS! 

Banner im Stadion gegen Rassismus
Geh mir wech mit Rassismus!

Egal ob in England oder in Italien, ich werde kein Blatt vor den Mund nehmen, sondern meine Meinung dazu äußern. Affenlaute in Stadien. Ein Selbstbild derer, die diese Laute von sich geben? Ich bin stolz auf Werder und meinen Verein, der sich auch klar ausgesprochen hat, dass jeder der die AFD wählt, wissen sollte, dass dies mit Werder überhaupt nicht zusammenpasst. Das ist mein Verein. Ich kann nicht verstehen, wie eine derartige Ablehnung, solch ein Hass, eine derartige Denkweise entsteht. Wie man behaupten kann, dass jemand mehr Wert ist oder anders gesehen, jemand wertloser ist, als jemand anderes. 

Wie entsteht überhaupt Menschenhass? 

Ich sehe es tagtäglich. Ich arbeite mit Menschen. Sie sind das einzige Lebewesen, die die Macht haben, eigentsändig zu denken und zu handeln. Da liegt vielleicht der Kern der Sache. Warum greifen wir uns als Menschen überhaupt selbst an? Dabei sind wir alle gleich! Schon mal einen Ameisenhaufen näher betrachtet? Da arbeitet jede Ameise Hand in Hand. Sie kämpfen nicht nur hart um das Überleben, sondern auch um die Erhaltung ihrer Art. Arterhalt und Selbsterhalt. Und wir so? Jammern und schimpfen gefühlt den ganzen Tag. Gerne auch über das Wetter. Und wenn sonst nichts und niemand da ist, dann auch gerne über die eigene Spezies. 

Du kommst auf diese Welt, hast keinen Einfluss wie, wann oder warum und wirst dann aufgrund deines Aussehens be- und verurteilt. Ich wurde in Niederbayern aufgrund meiner Herkunft (weil ich aus Bremen kam) in der Schule aufgezogen, gehänselt und dumm angemacht. Heute heißt es „gemobbt“…, weil ich ihren Dialekt nicht verstanden habe. Es geht also schon recht früh los. Ohne nachzudenken, immer mit dem Strom. 

Ich sage: Wir sind alle gleich. Jeder Mensch hat Ziele, Rückschläge, Träume. Wir kennen nie die komplette Lebensgeschichte von anderen Menschen und doch erlauben wir uns immer wieder ein (schnelles) Urteil über andere. Menschen anzuschreien, seinen Frust rauszulassen scheint normal (geworden). Es wird sich beschwert, aufgeregt und beleidigt. Für die wenigsten Dinge ist man noch dankbar. Wie wird noch gleich das Wetter morgen? Wir machen so viele Unterschiede, dabei machen wir den Unterschied aus. In all unseren Facetten. Schwarz / Weiß / Grün.

Bild von 4 Menschen vor dem Borussia-Park
4 Freunde für ein Halleluja

Werder ist Grün-Weiß

Kurz vor dem Spiel lockt uns Michi dann noch in die Kneipe seines Vertrauens. Wie dumm von mir zu glauben, dass es eine neutrale Kneipe wäre :-). Hier sehe ich – bis auf zwei Ausnahmen – nur die Trikots mit den falschen Rauten. Naja, hier ist man tolerant. Es gibt ein Bolten. Altbier. Schmeckt echt wahnsinnig gut. Jetzt geht es noch 10 Minuten per Pedes zum Ort des Geschehens: der Borussia-Park. Elia stößt dazu. Die Stimmung ist bestens.

Foto von zwei Freunden mit einem Bier in der Hand
Noch können wir beide lachen

Noch ein kleines Stoßgebet

Ich bin nicht nur nervös, weil jedes Spiel aktuell ein wichtiges Spiel um den Einzug auf die internationale Präsenz geht – es wird auch für das Halbfinale im DFB-Pokal ausgelost. Bitte nicht die Bayern, denke ich mir. Bitte nicht. Ein Stoßgebet geht noch zum Fußballgott. In der Kurve eingefunden und nach dem ganzen Ritual der Borussen, geht es dann endlich los. Anpfiff. Bestes Wetter. 18:00 Uhr. Auslosung parallel. Tatsächlich werden wir gleich als erstes gezogen. Ich weiß nicht. Heimspiel? Wir hatten doch 2009 auch alles auswärts gewonnen. 

Es dauert gefühlt eine Ewigkeit, bis der Ticker den Gegner bekannt gibt. Der FC Bayern München besucht uns nur knapp 4 Tage nach der Partie in der Rückrunde in München bei uns an der Weser. Puh. Da muss ich erstmal schlucken. Wir sind seit 1988 im DFB-Pokal zuhause ungeschlagen. Das macht mir noch Mut. Meine Laune ist erstmal im Keller. Zudem kommt noch das Spiel von Bremen. Werder ist eher im Ruhemodus und es regnet Chancen für die Fohlen.

Momentaufnahme aus dem Borussia-Park
Momentaufnahme aus dem Borussia-Park

Die Fohlen und ihr Stall

54.000 Zuschauer finden hier 90 Minuten pures Adrenalin. 1964/65 nahm der Verein viele junge Spieler unter Vertrag. Unter Ihnen auch große Namen wie z. B. Jupp Heynckes. Das Durchschnittsalter betrug 21,5 Jahre und war somit das damals niedrigste aller Regional-Mannschaften. Und ganz genau so entstand der Name „Fohlen“. Wer diesen Namen aber ins Leben rief, war kein anderer als Reporter Wilhelm August Hurtmann der diesen Begriff immer wieder in seinen Berichterstattungen der Rheinischen Post benutzte. Es war eine Mannschaft, die jung, dynamisch und unvoreingenommen an die Pflichtspiele herantrat. Wie junge Fohlen eben. Die höchste Heimniederlage übrigens bekamen die Gladbacher 65/66 gegen den einzigartigen, wunderbaren, sensationellen SV Werder Bremen. Vielleicht können wir da heute anknüpfen?

Back in the Game

Zurück zum Spiel. Übrigens auch die 100. Begegnung beider Mannschaften. Halbzeit – und nichts ist passiert. Also geht es sofort in Runde zwei. Meine Laune wird allmählich ein wenig besser. Doch Sprünge kann ich noch immer nicht machen.

Bild aus dem Gästeblock mit wehenden Fahnen
Egal wo du auch spielst

In der 49. Minute erlösen sich dann die Gladbacher und führen. In your face denke ich mir. Das gibt es doch nicht! Aber Werder wacht immerhin noch auf und nähert sich zumindest dem Tor. 30 Minuten später gleichen wir aus. ENDLICH! Das heitert mich endlich auf. Das wird Michi in der Nordkurve, auf der anderen Seite, so gar nicht gefallen. Aber ich hatte es ihm ja schon angedroht. 

Werder hat immer wieder ganz gute Chancen. Die Borussen auch. Dennoch bin ich froh, hier zumindest einen Punkt mitnehmen zu können. Werder und Gladbach trennen sich  1 : 1. Zum Feiern der Mannschaft bejubelt die Kurve die Spieler mit: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“. Was die Spieler sich wohl gedacht haben, als sie hörten, dass es gegen die Bazis geht? Naja, zumindest ein Heimspiel. Auch wenn der Fußballgott mich wohl an dem Tag vergessen hatte, hoffe ich auf ihn am 24.5. 2019. 1400 km diese Woche für den SVW. Kaputt aber glücklich.

Und geh mir wech mit Rassismus!