Das Ende der Fastenzeit

Freunde des guten Fußballgeschmacks – es geht wieder los. Die Bremer Jungs spielen in Mainz und sollte ich keine Karten für das Union-Spiel bekommen, ist dies hier mein letzter Beitrag für die aktuelle Saison. Was die Busfahrt so besonders gemacht hat und was die Highlights dieses Spiels waren, lest ihr hier – AUF EIN SPIEL!

Freunde beim Anstoßen am Würzburger Hauptbahnhof
Bereit zur Abfahrt!

Der Bus hat keine Bremse

Der Wecker klingelt, die Tasche ist gepackt und es geht Richtung Würzburger Hauptbahnhof. Dort warten schon einige Warriors, die es kaum abwarten können, nach Mainz zu fahren. Wir stoßen an und bewegen uns langsam zum vereinbarten Platz. Dort holt uns mein alter Fanclub „Grün-Weißes München“ ab. Beide Fanclubs in einem Bus. Ich habe mich besonders auf diese Fahrt gefreut. Heute kommen alle zusammen. Und wenn ich doch in meinen alten Beiträgen bemängeln musste, dass entweder der Bus zu spät am Stadion ankam oder lange Schlangen den Weg versperrten, sollte ich heute eines angenehmeren belehrt werden. Die Fahrt vergeht wie im Flug und während wir zwischen Erinnerungen und Zukunftsmusik des SVW schwelgen, kommen wir auch schon an – an der MEWA Arena.

Mewa-Arena
Willkommen in Mainz

Der Ursprung

Und da die MEWA Arena eines der Stadien ist, in denen ich heute zum ersten Mal bin, hier ein kleiner Exkurs. (Wie in guten alten Zeiten)

Ursprünglich spielten die 05er bis 2011 im Bruchwegstadion. Das wird aktuell von der zweiten Mannschaft und der A-Jugend genutzt. Die MEWA Arena hatte zur Einweihung 2011 den Namen „Coface Arena“ bis es dann 2016 in die „Opel Arena“ umgetauft wurde. Seit 2021 trägt es den Namen eines Herstellers für Berufs- und Schutzkleidung (u. a.). Ganz schön viele Namensgeber für meinen Geschmack, da kommt man schnell durcheinander. Was mir aber in Hinsicht des Fußballs auch auffällt, ist der Ursprung großer Namen, die in Mainz ihre Karriere begonnen haben. 2004 steigen die 05er erstmals in die 1. Bundesliga auf. Hachja – 2004! Kein anderer als Jürgen Klopp war zu dieser Zeit dort als Cheftrainer angestellt. Als dieser 2008 seinen Arbeitsplatz nach Dortmund verlegte, um dort seiner Karriere ein Double Sahnehäubchen aufzusetzen, suchte Mainz einen neuen Trainer. Für ein Jahr half Jørn Andersen aus, bis dann schließlich im Sommer 2009 Thomas Tuchel fünf Jahre sein Bestes geben sollte. Dieser wechselte dann auch zu Dortmund und die Geschichte endet – naja, ihr wisst schon. Eine berührende Geschichte zum Stadion konnte ich bis auf eine kleine Umfunktion zu einem Kartoffelacker in der Kriegszeit nicht finden. Aber das Stadion wechselte, wie schon beschrieben ja auch seinen Standort, um wirtschaftlich Konkurrenzfähig zu bleiben.

Stadionfeeling

Wieder zurück zur Fahrt. Wir treffen, wie schon beschrieben, pünktlich um 13:00 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Stadion ein. Ich kann mein Glück kaum fassen. Noch in Ruhe was essen, mit dem ein oder anderen Fan ins Plaudern kommen und dann gemütlich in den Block. Wer meine Beiträge aus 2023 kennt weiß, dass bei den letzten Fahrten nicht wirklich Zeit für solche Genussmomente war. Die Kontrollen am Einlass liefen reibungslos und auch keine lange Schlange kann mich noch um mein Kaltgetränk und meine Bratwurst bringen. Nach langersehnten Wiedersehen, finden wir uns im Gästeblock ein und warten auf unsere Mannschaft.

Heiko und Nadine vor dem Spiel
Ein langersehntes Wiedersehen!

Wer zuletzt lacht…

Mindset ist alles. Davon bin ich überzeugt. Ich selbst habe es schon oft erlebt. Also bin ich für jedes Spiel positiv gestimmt. Egal ob gegen die Bayern oder gegen Dortmund. Ich würde nicht im Traum auf die Idee kommen, ein Spiel gegen den SVW zu tippen. Es ist jedes Mal alles drin. Jedes einzelne Spiel. Wenn die Würfel vor jedem Spiel doch schon angeblich gefallen sind, warum existiert das Spiel dann noch? Die Nörgler unter den Fans werden jetzt die Nase rümpfen und mit dem Kopf schütteln. Voller Support – die Bremer Jungs laufen ein. Tosender Applaus und eine Choreografie zu Beginn des Spiels sollen heute der Startschuss für ein kleines Werder-Wunder sein. Und ein bisschen „Pyromantik“ darf auch nicht fehlen. Ist das schön!

Werder Fans die den Schal hoch halten, um die Mannschaft zu supporten
Pyromantik

Aufwachen ist die beste Art, seine Träume wahr werden zu lassen

Dieses berühmte Zitat von Muhammad Ali beschreibt die Schlussphase dieses Spiels. Über 85 Minuten passiert relativ wenig. Dann allerdings kommt Schlag auf Schlag alles zusammen, was auch Platz in der bereits abgelaufenen Spielzeit gefunden hätte. Aber das ist in dem Fall nicht Werder-Like. 85. Minute – Ajorque schießt die Mainzer in Führung. Die Mainzer Fans holen die Schals raus und bejubeln ihre Mannschaft. Der Blick geht zur Uhr. Noch 5 Minuten. AUF GEHTS WERDER – KÄMPFEN UND SIEGEN! 120 Sekunden später trifft Stage und wir sind wieder im Game. Während der Jubel der Heimfans verstummt, ist unserer riesengroß – die Bierdusche auch. Jeder unterschreibt mit Freuden diesen einen Punkt. Nachspielzeit – 4 Minuten. Ich stelle mir den Timer, um ungefähr zu wissen, wann dieser Nervenkitzel ein Ende hat.

Blick auf das Spielfeld. Auf der Anzeigetafel steht der aktuelle Spielstand - 1-1
1-1

Weiper – HYPER

93. Minute. Und jetzt geht es erst so richtig los. Weiper trifft und Mainz liegt wieder vorne. Also holen die Heimfans wieder die Schals raus. Ich hole mein Handy aus der Tasche und gucke auf den Timer. Noch 60 Sekunden. Handy wieder weg – Stimmung an. Und dann zieht Lücke ab – und….

trifft. Ich schreibe diese Zeilen und habe Gänsehaut. Es steht 2:2. Abpfiff im Stadion und die Party im Block beginnt so richtig. Man könnte sagen, wir haben 2:2 gewonnen. Wir liegen uns in den Armen. Neue und alte Bekannte. Weil das beim Fußball so üblich ist. Die Mannschaft kommt noch zu uns und lässt sich feiern. Zurecht. Heute hat wieder gezeigt, dass immer was geht, wenn das Mindset stimmt!

Gruppenfoto aus der Gästekurve
So sehen „Sieger“ aus!

Und wer spult dieses Leben eigentlich immer auf 1,5-facher Geschwindigkeit ab?!

So schnell vergehen 90 Minuten Fußball und auch dieser Tag. Nach schönen abschließenden Gesprächen im Bus sind wir auch schon wieder in Würzburg angekommen. Es ist April. Die Fastenzeit endet heute und war nicht gestern nicht noch erst 2022?! Vielleicht endet heute auch die Zeit des negativ Denkens mancher Fans. Das Ende auch der Fastenzeit im Sinne einer fast punktlosen Durststrecke. Es wird viel spekuliert, wo wer im Sommer vielleicht wechseln könnte. Für meinen Geschmack zu viel Konjunktiv. Denn die beste Zeit die wir haben, ist JETZT. Und ich bin sehr dankbar für einen tollen Spieltag, für eine spektakuläre Schlussphase. Für Freunde, die mich schon so lange Zeit begleiten. Für die Erinnerungen, die bleiben. Alles hat angefangen. HEUTE. HIER. JETZT.

Vielleicht bis zum letzten Spieltag – vielleicht geht der Blog ab heute schon in die Sommerpause – man darf gespannt sein. Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben – ich mache auch Musik. Ich habe dieses Jahr ein Album rausgebracht und das beansprucht alles gerade sehr viel Zeit. Nächstes Jahr bin ich dann wieder öfter in der Kurve vertreten – versprochen! Ich freue mich, wenn ihr bis dahin meine Musik hört – klicke einfach hier!

BIS DAHIN –

AUF EIN SPIEL!

Auf ein anderes Spiel – aus drei Blickwinkeln – No. 3

Freunde des guten Fußballgeschmacks – es geht in die finale Runde. Dieses Mal nimmt uns Johannes mit auf sein Erlebnis und seinen kulinarischen Schmankerln. AUF EIN SPIEL.

Paulaner Spezi oder Märzen – Hauptsache Bierflaschenoptik

Servus in die Runde, nun darf ich mich auch mal zu Wort melden. Bislang war ich nur eine Begleiterscheinung. Mein Name ist Johannes, Schalke-Fan und generell begeisterter Zuschauer von diesem tollen Sport.

Als Fahrer auserkoren, geht es Richtung Darmstadt. Während bei den anderen beiden das flüssige Gold die Kehle hinabrinnt, hat Phil für mich mit Paulaner Spezi vorgesorgt. Blicke besorgter Autofahrer auf der Autobahn („der wird doch nicht“) lasse ich unkommentiert. Es handelt sich ja dabei lediglich um Cola-Orangen-Limonade. Nur ein drängelnder und fernlichtabfeuernder Volkswagenfahrer bekommt eine Geste italienischen Ursprungs zu sehen.

Drei Freunde, die mit Bier in der Lilienschänke anstoßen und sich auf den Anstoß freuen
Prost!

Fehl am Platz wie Vitaminsalat

Hotel – check. Lilienschänke – check. Dort angekommen heißt es jetzt auch für mich DURST. Die erste Runde Pils ist bestellt und nachdem die Mettbrötchen auf dem Tresen einen etwas traurigen Eindruck machen, ordere ich Pommes und Chickennuggets. Eine kleine Grundlage muss ja geschaffen werden. Nachdem mein Namensvetter Giovanni und sein Kollege Martin an unserem Tisch Platz nehmen, erfolgt eine Salve an Sticheleien und Provokationen, damit ich mein Ticket an Martin abtrete.

Neben der steigenden Lautstärke fallen auch immer ausgefallenere Vergleiche. Hier muss auch der Vitaminsalat, den es für gute zehn schlanke Euronen zu bestellen gibt, herhalten. Um unsere Mienen zu besänftigen, bestellt Martin einen Tee, was Philipp zum Anlass nimmt, den Teebeutel in Martins Bier zu versenken, als dieser seinem Freund die Hand gibt. Leider bekommt das Martin doch irgendwie mit und fängt an, sämtliche Getränke zu vertauschen. Um einen versöhnlichen Abschied zu gestalten, schmeiße ich noch mal eine Runde Pils, bevor wir in Richtung Stadion aufbrechen.

Johannes, der sich grade beim Trinken fast verschluckt, da er so lachen muss
Bei Bester Laune

Balsamico, Basilikum oder Bärlauch

Wir erhalten unsere VIP-Bänder und eine Hostess weist uns den Weg mit: „Sie dürfen in die obere Etage, Sie sind sozusagen etwas Besseres“. Geil, denke ich mir! Dort angekommen suche ich gleich das Buffet auf und lasse mir Roastbeef mit Kartoffeln und einer grünen Creme reichen. Nachdem ich gefragt werde, um was es sich dabei handelt, antworte ich zuerst mit Balsamico, um mich direkt mit Basilikum zu korrigieren. Letztendlich klärt Philipp auf, dass es sich hierbei um Bärlauch handelt. Wir leeren unsere Getränke, füllen sie erneut auf und suchen unsere Plätze. 

Bier aus der VIP Tribüne wird gehalten - im Hintergrund das Stadion
Gute Getränke bei guten Getränken

Auf ein Bier mit Papa Schuhen

Hinter mir sitzt ein Herr, der mich sofort freundlich begrüßt und mich willkommen heißt. Es stellt sich raus, dass es sich hierbei um den Vater des Darmstädter Torhüters handelt. Wir stoßen an und unterhalten uns angeregt, bevor es mit dem Einlauf der Mannschaften losgeht. Bei den Toren spüre ich seine Pranken auf meinen Schultern landen. Wir verabschieden uns in die Halbzeit mit der Empfehlung auf jeden Fall die Currywurst probieren zu müssen. Gesagt, getan. In der Pause treffen wir Johann und Tobi, die wir kurz vor dem Spiel kennengelernt haben wieder. Wir erzählen ihnen von Phils Ausflug, was für ein allgemeines Amüsement sorgt. Nach einer guten zweiten Hälfte und dem darauffolgenden Abpfiff sprechen wir noch kurz mit Franky dem an dieser Stelle noch mal ein großer Dank gebührt.

Freunde mit Frank Ronstadt auf dem Bild - dahinter das Spielfeld
DANKE FRANKY!

Loge 109

Nachdem wir uns verabschiedet haben, geht es diesmal wieder mit Phil in die Lounge, in diese jetzt auch nach und nach die Spieler eintreffen. So sitzen wir an einem Tisch unter anderem mit Tobias Kempe, sowie in unmittelbarer Nachbarschaft zu Fabian Holland. Philipp versorgt vor allem sich und uns mit Getränken. Während wir uns mit Tobi und Johann unterhalten, bemerkt keiner Phils erneutes Verschwinden, bis mein Handy klingelt. „Komm in die Loge 109!“ – „Was Loge 109“? Es gibt die Logen 1-20. Ich laufe, einer Eingebung folgend, Richtung Loge 19. In dieser sitzt Philipp und genießt das Ambiente bei dem ein oder anderen Schluck gehopften Alkohols. Während unserer Unterhaltung  betritt eine Servicekraft die Loge. Diese wird von Philipp mit großspurigen Worten herauskomplimentiert. Er möchte noch ein bisschen das Feeling seiner „von ihm gemieteten Loge“ genießen und ich lasse ihn.

Blick auf leere Ränge und einem leeren Spielfeld bei Flutlicht
Sitzplatzromantik

Zapfenstreich

Irgendwann endet jeder schöne Tag und wir machen uns auf den Weg Richtung Hotel. Da Philipp Angst hat zu verdursten, hat das Schlitzohr geschafft, zwei Flaschen Bier und dazugehörige Flaschenöffner hinaus zu mogeln. Trocken geht keiner ins Bett. Im Hotel angekommen dauert es nicht mal zwei Minuten, bis erst die Nachttischlampe am Boden liegt und Philipp den Schlaf des Gerechten schläft.

Das war der letzte Beitrag aus der Reihe. So empfindet jeder Mensch die Eindrücke eines Spiels auf seine Art und Weise. So hat jeder seine Schwerpunkte in der Fußballwelt.

Hiermit spreche ich noch meinen Dank an Frank Ronstadt aus und wünsche ihm eine schnelle Genesung, da er sich kürzlich verletzt hat.

Somit verabschiede ich mich und freue mich auf euch gegen Mainz kommenden Samstag. Da könnt ihr wieder alles zum glorreichen SVW nachlesen.

AUF EIN SPIEL!

Der erste Gastbeitrag

Nicht nur in Leipzig zu Gast: Der erste Gastbeitrag

Richtig gelesen. Ein Gastbeitrag. Im Fokus – das letzte Auswärtsspiel der Hinrunde. Vielen Dank an dieser Stelle an Chris Böhm. Danke, dass du die Eindrücke aus deiner Sicht aufgeschrieben und geteilt hast. Das erste Mal gebe ich die Führung ab und überlasse die Feder ganz und gar jemand anderen. Auf ein Spiel aus anderer Sicht.

Und los… ab zu den roten Bullen

Ein letztes Mal für 2018 musste ich mich in aller Herrgottsfrühe aus der Koje quälen, ein letztes Mal zum Konterbier greifen, denn Freitagabende sind bekanntlich die besten Partystunden der Woche. Trotz Müdigkeit und nur durch Adrenalin und Vorfreude auf den heutigen Tag, schaffe ich es umgehend aus dem Bett. Es gibt kein anderes Ereignis, das mich vergleichbar schnell aus den Federn hüpfen lässt, wie ein Fußballspiel. Wahrscheinlich noch nicht mal die eigene Hochzeit. Aufstehen ist reine Kopfsache!

06:06 Uhr ging der Zug nach Leipzig. Der Grund meiner super frühen Anreise war, dass ich um 09:00 Uhr zum Frühshoppen im Leipziger Süden verabredet war. Pünktlich um 08:40 Uhr am Bahnhof wartete ich noch auf einen Kumpel, der aus Jena anreiste. Einen Wimpernschlag später, saßen wir in der Straßenbahn gen Leipziger Süden. Die Laune war schon wieder auf Höchststand. Das konnte nur ein geiler Tag werden!

Leipzig in History

Leipzig. Eine Stadt mit Tendenz zu 600.000 Einwohnern. Sie ist neben Dresden und Rostock wohl die bekannteste Metropole in den neuen Bundesländern. Besonders für junge Leute scheint sie eine enorme Anziehung zu besitzen. Mittlerweile zählt sie mehr als 40.000 Studierende. Geschichtlich hat die Stadt des Allerleis einiges auf dem Kerbholz. So fand vom 16.10.1813 bis 19.10.1813 die Völkerschlacht bei Leipzig statt. In dieser Schlacht kämpften preußische, russische, österreichische und schwedische Truppen gegen Napoleon Bonaparte und eben jene verbündete Truppen konnten Napoleon die entscheidende Niederlage zufügen, die ihn endgültig dazu zwang, sich aus Deutschland zurückziehen. Wahrscheinlich die größte Schlacht der Weltgeschichte bis Anfang des 20.Jahrhundert.

Fahne-des-RB-Leipzig
Der Wind weht heute von Norden!

Rasenballsport der beflügelt — oder nur eine Farce?

Apropos Geschichte — unser heutiger Gegner hat keine vergleichbar lange Vita. Am 19. Mai 2009 aus dem Boden gezogen, wie eine Wüstenstadt in den Emiraten oder ein WM-Stadion in Katar, spielt er seit der Saison 2016/17 in der 1. Bundesliga.

Wenn man sich die Gründung genauer anschaut, liegt es nahe, beträchtlich mit dem Kopf zu schütteln. Zunächst wurden Vereine wie die Fortuna aus Düsseldorf, der FC Sankt Pauli oder auch 1860 München gefragt, ob Sie Interesse an pushenden Investitionen hätten. Im Gegenzug sollte die Mehrheit von 50+1 Prozent bei Red Bull liegen sowie eine Änderung des Vereinsnamens, des Vereinswappens und der Vereinsfarben folgen. Alle 3 o.g. lehnten ab. Warum die 60er ablehnten und zwei Jahre später Herrn Ismaik 60% ihrer Anteile verkauften, bleibt wohl ihr Geheimnis.
Nachdem sich die drei größeren Vereine weigerten, ging Red Bull einige Etagen tiefer und klopfte zunächst beim FC Sachsen Leipzig an. Diesem Verein, der mittlerweile aufgelöst ist, ging es nach ausbleibenden Erfolgen wirtschaftlich sehr schlecht. Der Deal scheiterte damals nur, da der DFB aufgrund namensrechtlicher Unstimmigkeiten einschritt und eine zu große Einflussnahme von Seiten des Investors bestand. Da die Oberliga außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des DFB liegt und ein von Leipzig umliegender Verein namens SSV Markranstädt der Übernahme zustimmte, wurde „Red Bull“ trotzdem gegründet. Nach 7 Jahren hatten sie damals bekanntlich den Durchmarsch aus der 5.Liga in die 1.Bundesliga geschafft. Doch die Namensproblematik bestand damals weiterhin. Laut DFB-Satzung ist eine Namensgebung zu Werbezwecken unzulässig, weshalb auf Red Bull Leipzig, Rasenballsport Leipzig folgte.

Beflügelte Reaktionen der Fans

Die Fans tobten und waren außer sich. Verständlich. Auf einmal kommt ein „unbekannter“ Club um die Ecke, der an der Brust einer großen Firma nuckelt und dank Geld einen derartigen Marsch durch mehrere Ligen nach oben hinlegte. Tradition? Fehlanzeige!
Und auch in den letzten Jahren gab es immer wieder fragwürdige Ereignisse. Zum Beispiel darf gefühlt keiner bis heute stimmberechtigtes Mitglied werden um bei etwaigen Mitgliederversammlungen ein Wörtchen mizureden. Die stimmberechtigten Mitglieder, 17 an der Zahl, entstammen ausschließlich der Führungsriege.

Auch das Hin – und Hergeschiebe von Spielern vom Tochterklub aus Salzburg nach Leipzig stand immer wieder in der Kritik. Besonders der Transfer des Spielers Nils Quaschner fällt mir spontan ein. Da dieser bereits für 2 Vereine in der Saison 15/16 spielte, entzog schlussendlich die FIFA ihm die Spielberechtigung. In Leipzig verstand man daraufhin die Welt nicht mehr. RB Leipzig. Ein Projekt, das größtenteils Marketingziele verfolgt und sein Image verbessern will. Schauen wir mal, ob Red Bull wirklich Flügel verleiht und der Club — ähnlich wie der arme Ikarus — etwas zu viel Auftrieb erfährt und schließlich unsanft „landet“.

Blick auf den Gästeblock in Leipzip
Zu Gast in Leipzig

Nun aber auf ins Stadion

Inzwischen haben wir die Stadiontore der Arena erreicht. Ein guter Stehplatz war schnell gefunden und nach einigen Schnackereien mit allen bekannten Gesichtern, lief auch schon Bibi Steinhaus ein. Im Schlepptau unsere 11 Goldfüßchen.

Zum Spiel will ich nicht viele Worte verlieren, denn wir haben wieder mal 90 Minuten lang guten Fußball gespielt und hatten durchaus die Chance in Führung zu gehen. Milot Rashica hatte die beste. Danach haben wir die Gastgeber zweimal eingeladen. Gerade beim 2. Tor (Timo Werner) nach viel zu kurzem „prallen lassen“ von Max Kruse in Richtung Jiri Pavlenka. Wieder einmal haben wir uns selbst um den Lohn unserer Arbeit gebracht. 2 : 0 im Zentralstadion. Das ist ein dickes Brett für die 2. Hälfte und das war jedem auf und am Rasen sichtlich bewusst.

Blick-auf-das-Spielfeld-in-Leipzig
Klare Sicht auf drei Punkte

Alles auf Sieg

Aber unser immenser Wille, unser Einsatz und unsere Leidenschaft brachten uns auch in Leipzig wieder zurück. 2 : 2! Glückwunsch an unseren jungen Joshua Sargent: 2. Torschuss in der Bundesliga, 2. Tor. Was für geile Tage für den Jungen!! Als dann 5 Minuten vor Schluss die ewige Legende Claudio Pizarro ins Spiel geworfen wurde, wusste jeder wohin der Hase rennen sollte. Alles auf Sieg — weshalb ich den SV Werder Bremen einfach liebe. Alles oder nichts! Eines meiner Lebensmottos.

Und so kam es wie es kommen musste. 87. Minute – wieder nur sehr halbherziges Stören des Gegners auf der rechten Außenbahn. Es folgte eine flache Hereingabe, leicht in den Rückraum der Abwehr und alle schauten sich nur verdutzt an, während Bruma mit etwas Glück den Ball ins Netz schob. So ne Scheisse zum Jahresausgang — einfach sinnlos. Lasst uns doch einfach den einen Punkt mitnehmen.

Das Positivste an dem Spiel: Timo Werner traf mal nicht zweimal – denn das tat er statistisch in jedem bisherigen Saisonspiel sobald er einmal die Kugel in das Netz schob.

Nach dem Spiel ging es zur Bahn und ab nach Hause. Abends stand das Treffen meiner ehemaligen Schulklasse an. Noch ein paar erheiternde Gespräche auf der Rückfahrt im Zug und schon saß ich im Irish Pub bei Kerzenschein und Pitcher.

Awaydays are the best days!

Der nächste Beitrag aus meiner Hand folgt vom Spiel gegen Nürnberg. Ich freue mich auf bekannte Gesichter und natürlich auf drei Punkte für den SVW. Solltet auch ihr Interesse an einem Gastbeitrag haben, meldet euch. Wir lesen uns auf ein Spiel 🙂
Eure Nadine

Als der Fußball seine Seele verkaufte

Keine Bilder. Viele Emotionen. Ehrlichkeit. Meinung. Nicht nur Werder. Im Fokus: Fußball. Der Grund? Football Leaks. Lasst uns darüber diskutieren.

Man darf nicht nur die Augen verschließen und alles gutheißen. Man muss hinterfragen. Das gilt für viele Dinge im Leben; nicht nur wenn es um das Runde und das Eckige geht. Vergangenen Sonntag wurde mir mulmig, nachdem ich eine Dokumentation im TV sah. Ich stellte zum ersten Mal das in Frage, was mich mein Leben lang geprägt hat. Fußball. Thema in der ARD war die „Super League“. Ein neuer Liga-Verbund, außerhalb der UEFA, geplant von den „großen Vereinen“. Infos dazu kamen im Zuge der Football Leaks-Recherchen zum Vorschein.  Vor einiger Zeit habe ich angefangen, das gleichnamige Buch „Football Leaks“ zu lesen. Eine knallharte Lektüre zum wach werden. Für alle, die es noch nicht kennen, Pflichtprogramm! Was ich also vergangen Sonntag sah, stellte meine Welt auf den Kopf.

Früher war alles besser

64/65 Werder wird Meister. 75/76 Borussia Mönchengladbach. 94/95 der BVB – Werder wurde in diesem Jahr Vizemeister.  Seit 12/13 bis heute, kommt der Deutsche Meister aus der Landeshauptstadt Bayerns. Anstatt zu gröhlen, auf Kapitalismus sein Glas zu heben, frage ich Euch ernsthaft: Denkt ihr Fans aus München auch einmal nach, wie das passieren konnte?

Die Basis macht das Gift

Gegründet 1962 in Dortmund. 63/64 wird die Oberliga von der Bundesliga abgelöst. Damals zählen 16 Mannschaften zur Gründung. Unter ihnen der SV Werder Bremen. Nicht aber der FC Bayern. Aus der Süddeutschen Liga heißen die Bestreiter um die sagenumwobene Schale: 1860 München, der 1. FC Nürnberg, Eintracht Frankfurt, der Karlsruher SC und der VfB Stuttgart .Wir schreiben die ersten Saison. Meister wurde der 1. FC Köln. Leidenschaft 90 Minuten lang. Es war alles möglich. Das wussten nicht nur Fans, Trainer, oder Spieler. Das wusste auch das Fernsehen.

Damals, 65/66 lag der Preis für die Übertragungsrechte (diese teilten sich die ARD und das ZDF) bei 0,65 Mio. Mark. Inflation und Euro-Einführung hin oder her. Heute teilen sich genau 7 (!) Inhaber die Übertragungsrechte am Fußball. Mit an Bord sind: Amazon, Sky, ARD, ZDF, Eurosport und Perform. Der Preis für die Rechte liegt nun bei 1,159 Milliarden Euro. Mir blutet das HERZ! Achja, wer wurde nochmal letztes Jahr Meister?

Mit Herz und Raute

Ja, da frotzelt man. Mal ein: „Was ist Grün und stinkt nach Fisch?“, “ Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“, „Scheiß HSV!“ Alles schön und gut. Aber ich habe immer noch den Satz im Kopf aus der o.g. Dokumentation: Football Leaks: „Die Fans investieren in ein Monster, das man nicht mehr kontrollieren kann.“ Ich habe früher auf ein Trikot gespart. Klar, das kostet schon immer seinen Preis. Doch als ich dann aus dem Fanshop kam, mit einem breiten Grinsen natürlich, war ich stolz. Ich hielt etwas von MEINEM Verein in den Händen.

Wie ihr wisst, habe ich lange in München gewohnt.  Mittendrin statt nur dabei gearbeitet. Mitten am Marienplatz. Weltstadt mit Herz, die jedes Jahr zig Besucher begrüßt. Was ich in München fast täglich sah, Besucher aus aller Welt mit einer Tüte aus dem Bayern München Fan Shop. Kein Stolz. Nichts wertvolles. Einfach nur ein Souvenir. Aber Fußball ist (für mich) nicht nur ein Souvenir.

Mai 2018. Meisterfeier. Auch am besagten Tag, ging ich zum Marienplatz. Diesmal, um mir mein eigenes Bild vor dem Münchener Rathaus zu machen. Viele Asiaten, Amerikaner und anderen Touristen kamen mir entgegen. Auf die Frage: Wie denn der Trainer der Mannschaft mit der Meisterschale hieß, bekam ich ein verlegenes Lächeln, das wars. Aber ein Souvenir, das hatten sie fast alle gekauft. So langsam wird mir klar, wieso Bayern soviel Geld aus dem Merchandise Bereich erwirtschaftet.

Die Party des Reinfalls

Also war ich nun endlich in der Menge, wenn man das so sagen kann. Vielleicht kamen ein paar Hundert, wenn es viele waren. All das Spektakel erinnerte mich an eine Kuh, die sich überfressen hat. Leidenschaft sieht anders aus, Freunde!

Es geht doch schon lange nicht mehr nur um den Fußball. Es geht um Macht. In der heutigen Zeit, wird von ganz oben bestimmt, wer Investitionen bekommt, um die Tabelle anzuführen. Schön, wenn es diese Saison mal nicht klappen würde Herr Hoeneß! Aber zurück zum Thema: Eine Super Liga? Dann würde man immerhin sehen, wer zu den korrupt-subventionierten Vereinen der Welt gehört. Ihr könntet dann in Eurer Welt spielen, in der die Karten noch teurer werden, Fußball immer mehr an Macht erlangt, für die er einfach nie gedacht war. Ich hoffe, die Fans da draussen haben soviel Verstand, dieses Projekt nicht mehr zu unterstützen.

Verkehrte Welt

Mein Appell geht aber auch in Richtung Nachhaltigkeit. So zeigte die Doku, dass eine Klimaanlage in einem Stadion in Katar implementiert wurde. Äh, was??! Als Fan erwarte ich nicht, in einem klimatisiertem Stadion zu stehen, oder im Winter mit einem Tee und einer Kuscheldecke empfangen zu werden. Das ist nicht der Grundgedanke, hinter live dabei sein. Auch wenn sich nicht viele mit tiefer Fankultur auseinander setzen: Es reicht ein Bier und ein tolles Spiel.

Nun, inzwischen kommen nicht nur echte, vor Leidenschaft glühende Fans in die Stadien. Fußball ist Massenunterhaltung. Und wie die Super-Events und immer größer werdenden Konzerte oder Live-Shows, ist auch der Fußball Entertainment vom Feinsten. Oder soll es sein, für mache. So werden Spieler aufgekauft und in Vereine gesteckt, mit denen die Investoren großes Vorhaben. Menschenhandel? Schön, wenn man noch nicht dazugehört. Ja, das meine ich so. Mein Werder Bremen. Hoffe ich. Es sind noch ein paar Seiten übrig, in meinem Buch…

Denken Sie groß

Meine Gedanken schweifen ab. Ich möchte so vieles berichten, bin aber zu aufgewühlt. Wären manche nicht so gierig, würden überall ihren Profit in Dinge sehen, wäre Fußball immer noch das, was es damals sein sollte. Fußball. Anstatt sich ein Trikot von PSG, Real oder Bayern München zu kaufen, weil man zu den Erfolgreichen gehören möchte, hinterfragt mal, wem das Geld zugute kommt. Warum gerade diese Vereine so groß sind (momentan). Nicht selten sind es Investoren, die aus den Arabischen Ländern kommen. Die Unsummen investieren, weil der Kapitalmarkt längst keine so attraktive Rendite mehr zu bieten hat.

Diese Investoren besitzen Geld. Viel Geld. Und dieses Geld regiert die (Fußball)Welt. Lieber Fußball: Groß gemacht haben dich die Fans. Leider hast du den Dollarschein gegen die Stimmung und Leidenschaft getauscht. Wie lange kommst du damit noch durch? Wie viele Talente lässt du jubeln, wie viele fallen? Wie viel Geld – und Macht – muss es noch sein? Was machst du, wenn die Kurve verstummt?

Wirst du zum omnipräsenten Unterhaltungsmedium, das neben dem Sport, auch noch der Volksmusik eine Bühne gibt? Das ist nicht mein Fußball.

Ich plädiere für ein Spiel. Ein ehrliches. Ein nicht gekauftes. Einfach Fußball. Liebe. Leidenschaft.

 

 

 

 

Ewige Liebe 

Ich bin wieder zurück. Der Blog ist zurück. Nach einer viel zu langen Pause, hat es mich wieder ins schöne Weserstadion gezogen – und an die Tastatur. Warum es so lange gedauert hat, bis ihr wieder von mir lesen könnt und wie das Drumherum und das Heimspiel gegen Leverkusen aus meiner Sicht verliefen, erfahrt ihr hier.  Herzlich Willkommen zurück – Auf ein Spiel.

Verdammt lang her,…

…als mein letzter Beitrag online ging. Ich möchte kurz erläutern, warum. Mittlerweile wohne ich nicht mehr in München. Würzburg ist nun die Stadt aus der diese Zeilen stammen. Job gewechselt, Umgebung gewechselt, der Verein aber ist immer noch der gleiche. WERDER BREMEN. In der Rückrunde gibts wieder mehr zu lesen. Mein letzter Beitrag ging auch über das Heimspiel gegen Leverkusen. Heute beginnt wieder alles hier.

Werder Fans vor der Bremer Botschaft. Einem Grünen Haus mit Werder Logos drauf
Willkommen in der Botschaft

Halt dich an deiner Liebe fest

Endlich. Spieltach. Ewig habe ich meine Freunde aus München nicht gesehen. Das große Wiedersehen dann endlich Sonntagmittag in der Bremer Botschaft » Danke an Olaf für die wundervolle Gastfreundschaft! Nach einem kurzen Plausch geht es in das Herz Bremens, um den ein oder anderen Neuling das Bremen zu zeigen, das wir kennen.

Werder Fans stehen vor den Schweinen der Sögestraße in Bremen
Ende der Führung: Sögestraße. Das sollte genug Glück bringen

Diese Gespräche und diese Art Humor habe ich vermisst. Ziemlich kalt hier oben im Norden. Hätte ich eigentlich wissen müssen. Mein dünner Mantel hält mich nur bedingt warm. Aber wie man im Rheinischen sagt: „Das wärmste Jäckchen ist das Cognäckchen.“ Gott sei Dank gab es im Stadion Glühwein.

Den ersten zum Glück schon auf dem Marktplatz mit einer Tüte Schmalzkuchen. Bremen, ich habe dich vermisst. Ich sehe dich mit ganz anderen Augen. Ich bin hier aufgewachsen, habe hier meine ersten Schritte gemacht. Ich liebe diese Stadt.  Ein kleiner Abstecher in die Union Bar steht noch an. Wer hier noch nie war: Das Bier ist unwahrscheinlich gut und die Auswahl hält für jeden Geschmack etwas bereit. Nun aber auf ins Wohnzimmer.

Werder Fans vor der Unionsbar in Bremen mit Werder Schal
Auswärts zum Heimspiel. Danke an Andreas Gums für dieses schöne Foto

Endlich angekommen, treffe ich auf die ersten bekannten Gesichter. All das hat mir gefehlt. Endlich wieder ein Fischbrötchen mit ordentlich Remoulade und ein Haake Beck. Meine Welt. Diese kleinen Dingen machen mich glücklich. Was natürlich nicht heißen soll, dass ich hier keinen Sieg sehen möchte.

Apropos

Da war ja was. Anpfiff – endlich. Nach zwei Minuten ahnte ich Böses. Ich wusste, dass das Gegentor nicht lang auf sich warten ließ. Und richtig. Nach 8 Minuten Spielzeit steht es schon 0 : 1 für die Gäste. Ja, das fühlt sich so an, als würde dir dein bester Freund eine ins Gesicht feuern. Und das tut weh. Die Stimmung ist dennoch famos. Aber  bei Werder stimmt irgendwas nicht. Man merkt, auf dem prunkvollen Schiff ist heute irgendwo ein Leck durch das Wasser dringt. Jeder Spieler sucht danach. Dann aber in Minute 38 das 0 : 2! Das Schiff hat einen zweiten Treffer bekommen und läuft weiter mit Wasser voll. Es weht ein rauer Wind durch das Weserstadion. Es ist kalt. Die Stimmung bleibt gut. Schockgefrostet durch die Kälte und das bisherige Ergebnis. 7 Minuten später steht uns dann das Wasser bis zum Hals. 0 : 3. Halbzeit.

Das Weserstadion in voller Pracht im Flutlicht
Gleich geht es los. Endlich wieder Weserstadion – bei Flutlicht

Sprachlos. Alle. Irgendwie kann ich das Spiel nicht mehr ernst nehmen. Elia bringt zur Pause einen tollen Spruch, den sich jeder merken kann und an dem soviel Wahres dran ist: „Die haben in 45 Minuten 3 Tore geschossen, dann können wir das auch noch.“ Damit hat er recht, denke ich mir. Also mit neuer Hoffnung wieder volle Kraft voraus in die nächsten 45 Minuten. Bei vielen anderen Bundesligisten wäre die Stimmung nicht so famos wie die unserer Fans. Beim Anpfiff der zweiten Hälfte sage ich noch: „Wenn wir schon so ein Spiel sehen, dann schießt Pizarro ein Tor.“ Ein kleiner Trost wäre das.

Tatsächlich wechselt Kohfeldt Pizarro für den heute nicht so überragenden Friedl ein. Wir schreiben die 60. Minute am 9. Spieltag 2018. Pizarro trifft für uns das 1 : 3. Dieser Schrei. Soviel Befreiung. Endlich! Gänsehaut. Wir liegen uns in den Armen. Kein anderer mit der Nummer 4 – Claudioooooo – PIZARRO! Die ganze Kurve brüllt seinen Namen. Da kommen Kindheitserinnerungen auf. Die Werderlegende rüttelt alles wach. 2 Minuten später trifft Osako für uns. Es steht 2 : 3. Ich raste aus. Tränen in den Augen. Lauthals schreien wir alles raus was geht, um die Mannschaft anzufeuern. Ich denke wieder an Elias Worte.

Wasser Marsch

Gesundheitlich ist das Spiel eine Katastrophe. Jeder Arzt würde den Kopf schütteln. Euphorie für 5 Minuten. Danach trifft Leverkusen – 2 : 4. Wieder läuft Wasser  in das Schiff. Jede Rettung kommt zu spät. Am Ende steht es 2 : 6. Es ist die höchste Niederlage, die ich selbst miterlebt habe. Das Schiff ist gesunken. Das tut weh. Die Jungs aber spielen so eine geile Saison. Die Mannschaft kommt zur Kurve. Wir klatschen. Weil auch der Beste Kapitän Fehler machen kann. Ich bin mir sicher: Wir bekommen wieder Fahrwasser! DANKE JUNGS, für das große Ganze. Ihr spielt spitze dieses Jahr.

Leeres Weserstadion mit Flutlicht
Abpfiff. Die härteste Niederlage in meiner Geschichte

Danach gibt es noch einen Glühwein gegen die Kälte und ein Fischbrötchen. Tradition muss sein. Wir haben Spaß. Auf ins Haifi! Auf diesen Teil des Abends freue ich mich schon seit der Hinfahrt. Da wartet noch ein tolles Wiedersehen auf mich. An dieser Stelle eine kleine Lobeshymne auf Heiko. Deine gute Art, gute Laune, dein Lachen und deinen Humor. Einer der herzlichsten Menschen, die ich kenne. Es ist immer wieder schön, in das Haifischbecken zu kommen. Es sind nicht die vier Wände die es ausmachen, du bist das.

Barmann an der Haifischbecken Bar mit zwei Bier in der Hand
Heiko heißt jeden Willkommen

Das Haifischbecken

Für alle die es nicht kennen: 10 Jahre gibt es das Haifi. Vor dem Steintor. Es locken die Besten Mexikaner und andere liquide Freuden. Beste Stimmung vor und nach dem Spiel.  Hierherzukommen, ist wie zuhause noch ein Feierabendbier zu trinken. Gastfreundschaft wird großgeschrieben. Faschos haben hier keinen Platz. Ebenso auch keine Sky Anwerber. Das Haifi lebt in seiner eigenen kleinen Welt und die ist perfekt so wie sie ist. Weg von Kommerz und Konsum.

Logo vor der Tür mit der Aufschrift: Haifischbecken
Das Haifischbecken

Die Tür geht auf: Eine warme Umarmung, im wahrsten Sinne des Wortes, empfängt mich. Wir lassen den Abend ausklingen.

 

Hai im Haifischbecken
Der Name ist Programm

 

Fazit: Klar war das Ergebnis bitter, keine Frage. Aber es ist das große Ganze dahinter. Mal verlierst du, mal gewinnst du. Alles weiß man erst zu schätzen, wenn man beide Seiten gesehen hat. Wollen wir mal realistisch bleiben. Man wird nie nur Siege sehen. Ich hatte gerade deswegen einen tollen Tag und einen tollen Abend in meiner Heimat. Wer denkt, uns Fans damit ärgern zu können – falsch. Wie wir Dinge sehen, können wenige verstehen. Doch so sehen wir das Leben. Das große Ganze. Der eine Verein. Ewige Liebe. Das was in uns verankert ist, können andere nur erahnen. Treue, Mut, Hingabe.

Der SVW wird niemals untergehen!

 

 

 

Ab nach Hus!

Dieses Jahr ist alles anders. WM – einmal hin und zurück. Auch ich melde mich aus der Bundesliga Pause zurück um zu berichten, wie ich die Spiele um die begehrte Trophäe sehe – und wie verärgert über die Reaktionen im Netz bin. Warum das alles typisch Deutsch ist, liest ihr hier.

2018 – ein ganz besonderes Jahr

Für mich definitiv, denn auch wenn ich sonst euphorisiert von einer anstehenden Weltmeisterschaft war, bleibt das Gefühl dieses Jahr aus. Wenn ich mich so umhöre, kein Einzelfall. Da ist schon von Beginn an der Wurm drin.

Am 14.6 war es soweit. Russland eröffnet das Turnier gegen Saudi Arabien mit Pauken und Trompeten. Am Ende steht es 5 : 0 für Russland. Hätte mir jemand anfangs gesagt, dass die Gastgeber im Viertelfinale stehen, hätte ich ihn wohlmöglich für verrückt erklärt. Das zieht sich wohl durch den kompletten Turnierverlauf.

Eine Illustration des russischen Keepers
Dieses Jahr ist Russland Gastgeber!                                                                                                        Picture by Craig Marcus https://www.instagram.com/craigmarcusuk/

Spanien, Portugal, Deutschland, und Argentinien haben früher als erwartet, die Heimreise angetreten. Ich bin schockiert. Verrückte WM. Kleine Vereine wie Uruguay, Schweden, Russland, und Japan kristallisieren sich heraus. Es ist das Turnier der überraschenden Mannschaften.

Illustration des schwedischen Spielers Forsberg
Absolut beeindruckende Leistung von Schwedens Nummer 24! Forsberg!                                 Picture by Craig Marcus https://www.instagram.com/craigmarcusuk/

18 Karat Gold

Hier noch ein paar Fakten über den heißbegehrten Pokal nach dem sich alle sehnen.

  • Von 1930 – 1970 hieß die Trophäe „Jules-Rimet-Pokal“;der Name stammt vom damaligen FIFA Präsidenten Jules Rimet
  • Dieser Weltpokal wurde nach dem 3. Titelgewinn an Brasilien übergeben. Dort blieb er, wurde gestohlen und vermutlich eingeschmolzen.
  • 1973 wurde in der Mailänder Gold- und Silberschmiedewerkstatt ein neuer Pokal hergestellt, bis heute die legendäre Siegestrophäe, zuerst in den Händen der Deutschen National-Elf 1974
  • Aufbewahrt wird er in Zürich im FIFA World Football Museum
  • Der Pokal wird dem Gewinnerteam nur bis zur Abreise gewährt, danach bekommt das Team lediglich eine vergoldete Nachbildung aus Bronze
  • 40 cm hoch und 6175 Gramm schwer – 5 Kilogramm bestehen dabei aus 18 karätigem Gold. Der Wert wird über 100.000 Euro geschätzt

Eine Illustration von Mats Hummels. Im Hintergrund die Farben der Deutschen Flagge - Schwarz - Rot - Gold.
Die Titelverteidiger aus Deutschland                                                                                                      Picture by Craig Marcus https://www.instagram.com/craigmarcusuk/

Geplatzte Träume

Irgendwie hat es diesmal nicht gepasst. Deutschland spielt gegen Mexico. Ich verfolge es nur halbherzig zuhause – kein Public Viewing, keine Stimmung, kein gutes Spiel. Nach der ersten Halbzeit wird klar, wir schließen uns wohlmöglich dem Ritual an und scheiden, nachdem wir den Titel vor 4 Jahren holten, in der Gruppenphase aus. Keine schönen Zusammenspiele, kein Zusammenhalt. Die Mannschaft wirkt irgendwie zerrissen. Teils bestimmt durch den Medienrummel im Vorfeld um Mesut Özil und Gündogan, teilweise merkt man aber, dass der gesamte Flow fehlt.

Deutschland vergibt die ersten Punkte im Spiel gegen die Mexikaner und ich suche vor Schock, erstmal einen Tequila! Ich hatte es irgendwie im Gefühl.

Halb so wild, denn ich muss mich auch als klarer Fan der Three Lions outen – und drücke weiterhin den Engländern die Daumen.

Der Superstar der Three Lions. Eine Illustration des Torjägers aus England - Harry Kane
Der „Hurricane“ unter den Spielern!                                                                                                       Picture by Craig Marcus https://www.instagram.com/craigmarcusuk/

Das zweite Spiel dann doch ein kleines Public Viewing in Würzburg in guter Gesellschaft. Der 6. Möller manlift Charity Cup stand am besagten Wochenende an, als die Deutschen abends gegen die Schweden antreten mussten. In letzter Sekunde gelang es der Elf noch, die Schweden mit einem 2 : 1 zu bezwingen. Als dann aber im letzten Spiel die Südkoreaner, Jogis Jungs mit einem 2:0 vom Platz fegten, stand fest: Deutschlands erstes Vorrundenaus.

Aus der Traum vom Achtelfinale, weiterkommen und weiteren Fußball-Abenden im Schwarz-Rot-Gold Trikot. Ab nach Hus, wie man im Norden so schön sagt. Ab nach Hause. Für schlechte Leistungen wird man eben nicht belohnt.

Illustration des Südkoreanischen Spielers Heung-min Son
Definitiv nicht zu unterschätzen – Heung-min Son                                                                             Picture by Craig Marcus https://www.instagram.com/craigmarcusuk/

Typisch Deutsch

Kommen wir nun zu dem Thema, dass ich mir unbedingt von der Seele schreiben muss. Die Mentalität der Deutschen. Um gleich die Missverständnisse auszuräumen. Ich wurde hier geboren und schäme mich häufig sehr für unser Verhalten. Wer einmal Urlaub in Europa oder auf anderen Kontinenten gemacht hat, weiß, wovon ich hier rede. Es sind schon lange nicht mehr die Tennissocken die bis zu den Knien aus Sandalen ragen. Wir deutschen sind einfach nie zufrieden. Nie! Das geht bei kleinsten Dingen los und hört beim sprichwörtlichen Elefanten auf.

Panama verliert gegen England mit 6 : 1. Das Video der Panamaer machte in Facebook seine Runde. So kenn ich es, wenn Werder spielt. Wir rasten komplett aus, wie diese Fans in dem Video. Ja, auch bei dieser Niederlage ist die Stimmung großartig. Wie Deutschland auch, scheidet Panama in der Vorrunde aus. Was aber bleibt, ist dieses Video, das bis heute noch im Internet kursiert.

Illustration des Panamaer Román Torres der auf dem Bild jubelt.
Von dieser Mannschaft darf man sich gerne eine Scheibe abschneiden!                                      Picture by Craig Marcus https://www.instagram.com/craigmarcusuk/

Show and Shine

Als feststeht, dass Deutschland ebenfalls ausscheidet, ist das Geschrei groß. Auf der Facebook Timeline stehen gehässige, bösartige, schlimme Aussagen. In keinen einzigen Kommentar hab ich gelesen, dass jemand traurig und enttäuscht ist. 2014 waren dann auf einmal alle die größten Fußball Anhänger, die die Welt je gesehen hat. Typisch Deutsch. Nur am Nörgeln und jammern. Nichts ist gut genug.

Ich weiß genau wie sich das anfühlt, nicht die Leistungen zu sehen, die man sich vielleicht erhofft hatte. Willkommen in meiner Welt. Ich habe aber nie etwas Schlechtes über meinen SVW geschrieben. Das mein ich mit „bedingungslos“. Es läuft nicht immer alles nach Plan. Zu gerne würde ich sehen, was die spanischen Fans über Ihr Ausscheiden geschrieben haben.

Ich glaube nicht, dass das ein Vergleich zu den Hasstiraden ist, die aus den deutschen Fans sprudelten. Die Bezeichnung Fan ist auch ein wenig übertrieben – glaube ich. Denn Fan sein bedeutet auch zu wissen, dass es mal nicht so gut ausgehen kann.

Diese Stimmung ist langsam wie der Ring in dem Film „Der Herr der Ringe“ geworden und frisst uns auf, je länger wir uns mit ihr umgeben. Wut steckt an – genauso wie Jammer. Wir müssen mal wieder lernen zu lachen. Spaß am Leben zu haben und nicht nur immer schimpfen und meckern. Dazu ist die Zeit, die wir hier verbringen zu kurz. Also macht mal wieder was anderes.

Für den guten Zweck

Ich möchte euch noch etwas über den Charity Cup erzählen, den ich weiter oben schon erwähnte. Dieses Jahr habe ich das erste Mal bei dieser Veranstaltung mitgeholfen, die vom Projekt Würzburg e.V. ausgetragen und organisiert wurde. Viele andere tun das schon, seitdem es diese Veranstaltung gibt bzw. haben dieses „Projekt Würzburg“ ins Leben gerufen. Es verzaubert mich immer wieder, dass es auch, statt den meckernden Menschen, auch jene gibt, die gutes für ihre Mitmenschen tun. Jeder auf seine Art und Weise verzaubert mich.

Es war das 6. Mal, dass um den besagten „Möller manlift Charity Cup“ gespielt wurde. 29 Mannschaften kamen zusammen und kickten für den guten Zweck. Letztes Jahr war sogar unser Frank Baumann im Promiteam vertreten.

Über die letzten Jahre kamen im Zuge dessen über 60.000 Euro zusammen, die wiederrum in wohltätige Organisationen und Projekte flossen. Im Fokus stehen dabei Projekte wie den Skatepark Würzburg e.V.Projekt Rückenwind oder Herzenswunsch der Malteser. Gespendet wird alles. Helfer bekommen als Entlohnung das Gefühl, etwas zurückgegeben zu haben. Menschen, den es vielleicht nicht so gut geht wie einem selbst.

Gruppenfoto beider Mannschaften die für den guten Zweck Fußball spielen. Die Farben der Trikots in Rot und Weiß
Zusammen für den guten Zweck! Projekt Würzburg

Wie gewöhnlich kommt die Pointe zum Schluss. Heute gibt es keine. Der rote Faden blitzt in den letzten Zeilen durch und soll noch einmal unterstreichen, dass es egal ist, über welches Thema sich Menschen auch unterhalten. Am Ende wird es immer Menschen geben, denen es nicht reicht und die nie zufrieden sein können – und solche, die wünschten annähernd so viel Glück zu haben, wie wir.

Danke an Craig  für die Freigabe der wunderschönen Illustrationen der Spieler! Mehr gibts auf seiner Seite: http://www.craigmarcus.co.uk                                                             oder auf seinem Instagram Profil: https://www.instagram.com/craigmarcusuk/